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Eine Gruppe gut gelaunter Mädchen, zwei von ihnen pusten Seifenblasen

Hinsehen und Handeln - auch und gerade in Zeiten von Corona

Wir alle sind mit der Corona-Krise beschäftigt und alle überlegen fieberhaft, wie was in welchem Falle getan werden muss, damit wir alle möglichst unbeschadet daraus hervorgehen.

Insbesondere im beruflichen Kontext geht es darum, immer wieder abzuwägen und neu zu bewerten.

Die Begriffe Risiko, Angst, Gefahr und auch Schutz sind zunehmend in aller Munde ebenso wie die Begriffe Solidarität und Verantwortung.

Selten hat es ein Thema gegeben, was alle im Gespräch verbindet und von dem sich keiner in der potentiellen Betroffenheit ausschließen kann.

Und doch gibt es Unterschiede in der Bedrohlichkeit der Betroffenheit und auch in der Betroffenheit der sekundären Auswirkungen. So werden sinnvoller Weise immer wieder die sogenannten Risikogruppen benannt wie ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen oder auch die, die aufgrund der Schutzmaßnahmen in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind wie beispielsweise Beschäftigte der Hotelbranche.

Nach und nach werden sicher noch mehr Unterschiede in den primären oder sekundären Auswirkungen des Virus auftreten oder ins Bewusstsein geraten. Schon jetzt ist klar, dass es nicht nur um die primären gesundheitlichen Folgen gehen wird sondern vermehrt auch psychosoziale Auswirkungen zu erwarten sind.

Als Mädchenhaus Bielefeld e.V. und damit als Jugendhilfeeinrichtung und als Verein, der im Schwerpunkt zum Thema Gewalt an Mädchen und jungen Frauen arbeitet, möchten wir an dieser Stelle die geschlechtsspezifischen Risiken benennen, die sich aus dieser Krise für Mädchen und Frauen ergeben können.

Meldungen aus China bestätigen, was Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt auch in Deutschland befürchten: In der aktuellen Krisensituation mit starken Einschränkungen im öffentlichen Leben steigt die Gefahr für Frauen und Kinder, häusliche und sexualisierte Gewalt zu erfahren. Das eigene Zuhause ist zu oft kein sicherer Ort. Laut einer Pekinger Frauenrechtsorganisation war die Zahl der Betroffenen von häuslicher Gewalt, die sich während der verordneten Quarantäne an die Hilfsorganisation gewandt haben, dreimal so hoch wie zuvor.

Während das Gewaltrisiko steigt, fallen Verletzungen oder Unterstützungsbedarfe von Betroffenen weniger auf, wenn Betroffene z.B. nicht mehr in die Schule, zur Arbeit oder in den Sportverein gehen.

Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von Gewalt im direkten sozialen Umfeld betroffen sind, kann die aktuelle Situation bedeuten, Täter*innen ständig ausgeliefert zu sein (vgl. www.bundeskoordinierung.de).

Als Beratungsstellen des Mädchenhauses machen wir uns Sorgen um die Mädchen und jungen Frauen, von denen wir wissen bzw. vermuten, dass sie im häuslichen Kontext von Gewalt betroffen oder bedroht sind oder ihnen dort  kaum persönliche Freiräume zugestanden werden.

Für viele dieser Mädchen und jungen Frauen bedeutet beispielsweise der Schulbesuch sehr viel mehr als Lernen und Vorbereitung auf einen Abschluss sondern vielmehr Freiheit, Selbstbestimmung, Kontakt, Sicherheit und Schutz sowie auch die Möglichkeit von Beratungsgesprächen während der Unterrichts- oder Betreuungszeit.

Und: was vielleicht das Wichtigste ist: es bedeutet im Blick zu sein von Lehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Berater*innen und Freund*innen.

Die flächendeckenden Aufrufe für eine solidarische Nachbarschaft sind sehr wichtig und auch ein hilfreicher Ansatz zum Thema häusliche und sexualisierte Gewalt.

Noch mehr als zu anderen Zeiten sind insbesondere von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche darauf angewiesen, dass sie wachsamen Menschen begegnen, die ihnen Unterstützung und Hilfe anbieten oder ihnen dabei helfen, Hilfsangebote zu finden.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir alle unsere Mitmenschen in einen wohlwollenden und schützenden Blick nehmen, die sonst schnell aus dem Blick geraten und das sind auch gewaltbetroffene Kinder, Jugendliche und Frauen.

Wir möchten Mädchen und junge Frauen ermutigen, sich bei sexualisierter oder häuslicher Gewalt Unterstützung zu suchen und damit nicht allein zu bleiben. Wir als Beratungsstellen des Mädchenhauses und auch die meisten anderen Hilfs- und Beratungseinrichtungen in Bielefeld sind auch weiterhin telefonisch und online und evtl.im Krisenfall persönlich erreichbar und beraten gerne.

Auch Bezugspersonen können sich an uns wenden, wenn sie unsicher sind, wie sie Betroffene unterstützen können.

Alle ambulanten und stationären Einrichtungen des Mädchenhaus Bielefeld e.V. halten ihre Arbeit aufrecht und sind erreichbar.

Mädchenberatungsstelle: 0521 173016, auch Online-Beratung

Fachberatungsstelle gegen Zwangsheirat: 0521 5216879, auch Online-Beratung

Fachstelle Gewaltschutz bei Behinderung: 0521 91459997, auch Online-Beratung

Zufluchtstätte: 0521 21010

 

Darüber hinaus sind folgende Hilfsangebote erreichbar:

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116016

Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 08000 22555300

Online-Beratung für Jugendliche

 

Artikel Neue Westfälische | 23.03.2020

Corona-Einschränkungen sorgen für Anstieg der "häuslichen Gewalt"

Sämtliche Frauenhäuser in NRW sind voll besetzt. Nur in Aachen gibt es noch Plätze für Betroffene ohne Kinder.

Bielefeld(jr). Seit einer Woche ist NRW im Corona-Modus. Viele Menschen sind seitdem in einem emotionalen Ausnahmezustand, sind verunsichert, manche reagieren zunehmend aggressiv. Leidtragende sind, davor warnen die Hilfsvereine, vor allem die Frauen und Kinder in den Familien. Bereits am Sonntag gab es nur noch in einem einzigen Frauenhaus in NRW freie Plätze – in Aachen. Alle anderen Schutzkapazitäten sind bereits ausgereizt – auch in Bielefeld.

Sylvia Krenzel, Diplom-Psychologin des Mädchenhauses, rechnet angesichts der Einschränkungen des öffentlichen Lebens auch hier mit einem starken „Anstieg häuslicher oder sexualisierter Gewalt“. Sie betont: „Das eigene Zuhause ist oft kein sicherer Ort.“ Laut einer Frauenrechtsorganisation aus Peking war die Zahl der Hilfeersuchen nach häuslicher Gewalt während der verordneten Quarantäne dreimal so hoch wie zuvor.

Im Kreis Gütersloh soll es bereits einen spürbaren Anstieg der Fälle geben. Auch Beatrice Tappmeier vom autonomen Frauenhaus Bielefeld befürchtet mehr Taten. Allerdings sei bei ihr die Zahl der Hilferufe (zwei Frauen baten an diesem Wochenende um Schutz) noch im üblichen Rahmen gewesen. „Aber je länger der Krisenzustand bestehen bleibt, desto größer werden die Probleme in vielen Familien“, prognostiziert Tappmeier.

Und sie erklärt auch warum: „Deutlich mehr Frauen arbeiten in aktuell systemrelevanten Berufen, etwa im Krankenhaus, in der Pflege oder in Supermärkten. Sie gehen weiterhin arbeiten. Dagegen müssen viele Männer plötzlich zuhause bleiben.“ Das stelle die Rollenbilder vieler Männer auf den Kopf, sorge für Verunsicherung und Aggressionen. Auch die Kinder dürften dann vielfach von Gewalt betroffen sein, glaubt die Leiterin des Frauenhauses. „Nicht jeder hat die Möglichkeit, seine Kinder in den Garten zu schicken. Was machen diejenigen, die in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Obergeschoss wohnen?“ Es werde zunehmend Konflikte geben.

Das habe auch mit dem Wegfallen sozialer Kontrolle zu tun, sagt Sylvia Krenzel: „Die Verletzungen der Mädchen und Frauen fallen weniger auf, wenn sie nicht mehr zur Schule, zur Arbeit oder in den Sportverein gehen.“ Im Gegenteil: Die Betroffenen sind den Tätern in der aktuellen Situation nun ständig ausgeliefert. „Wir machen uns große Sorgen um die Mädchen und Frauen, denen kaum persönliche Freiräume zugestanden werden.“ Für sie bedeutete der Schulbesuch normalerweise nicht nur Lernen, sondern auch Freiheit, Sicherheit und Schutz.

Deshalb fordert der Dachverband der autonomen Frauenhäuser schon jetzt unkonventionelle und schnelle Lösungen von der Politik und den Kommunen. Dazu könnte die Finanzierung von Hotelzimmern zählen, um weitere Schutzräume bereitzustellen.

Tappmeiers Überlegungen, die Kapazität ihrer Einrichtung (elf Plätze) durch Doppelbelegungen zu vergrößern, dürfte in Zeiten einer ernsten Virus-Bedrohung zu viel Risiko bedeuten. „Bisher musste noch kein Frauenhaus wegen Corona geschlossen werden“, sagt Tappmeier. Doch das wird kommen.

Tappmeier hofft nun darauf, dass die Stadt für den Notfall nicht genutzte Flüchtlings- oder Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung stellen kann. Unklar ist aber, ob es überhaupt noch freie Kapazitäten gibt. Tappmeier sucht daher dringend alternative Lösungen. Ihr zur Folge sei es nur eine Frage der Zeit: „Je länger die Schulschließungen und Arbeitseinschränkungen andauern, desto größer werden die Probleme werden.“

Auch das Mädchenhaus benötigt dringend Hilfe: „Unsere Mädchen haben kein Zuhause, in das sie zurückkehren können“, heißt es auf der Homepage. Deshalb sei der Verein auf der Suche nach pädagogisch ausgebildeten und nicht ausgebildeten Frauen, die im Ernstfall bereit sind, die stationären Angebote aufrechtzuerhalten. Sylvia Krenzel appelliert aber auch an alle anderen: „Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir unsere Mitmenschen in einen schützenden Blick nehmen. Gerade die, die sonst schnell aus dem Blick geraten – das sind eben auch von Gewalt betroffene Kinder, Jugendliche und Frauen.“

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